Zusammenfassung: Ausmaß und Verbreitung von Gewalt und Delinquenz unter Kindern und Jugendlichen haben in den letzten 15 Jahren kontinuierlich zugenommen. Bei dem Bestreben, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, können neuere Erkenntnisse der entwicklungspsychopathologischen und neurobiologischen Forschung wichtige Hilfestellung leisten. In einem Modell von Moffitt werden zwei Entwicklungswege antisozialer Verhaltensprobleme beschrieben, die sich hinsichtlich des Störungsbeginns und -verlaufs unterscheiden: ein Pfad, der durch eine frühzeitig einsetzende und über den Lebenslauf stabile Symptomatik charakterisiert ist (“life-course persistent”), sowie ein Pfad mit einem episodenhaften, auf das Jugendalter begrenzten Auftreten antisozialer Auffälligkeiten (“adolescence-limited”). Während im letzteren Fall die spezifischen Entwicklungsaufgaben und Lebensbedingungen Jugendlicher eine maßgebliche Rolle bei Entstehung und Verlauf spielen, entsteht persistentes antisoziales Verhalten als Resultat eines transaktionalen Prozesses zwischen Kind und Umwelt. Neben psychosozialen Faktoren kommt dabei biologischen Prädispositionen (genetische Belastung) und psychologischen Dispositionen (Temperaments- und Persönlichkeitsmerkmale) eine zentrale Bedeutung zu. Wichtige Aufschlüsse über die zugrunde liegenden Mechanismen versprechen die jüngsten Fortschritte der neurobiologischen und persönlichkeitspsychologischen Forschung. Die Integration beider Ansätze kann dazu beitragen, Maßnahmen der Prävention und Frühintervention zielgruppenorientierter auszurichten und damit wirkungsvoller zu gestalten.