scholarly journals Psychotherapiemotivation von „Pseudogesunden“

2020 ◽  
Vol 65 (6) ◽  
pp. 456-464
Author(s):  
Tanja Braungardt ◽  
Marie Goldmann ◽  
Wolfgang Schneider ◽  
Carsten Spitzer

Zusammenfassung Hintergrund Als „pseudogesund“ gelten Patienten, deren Testwerte in symptombezogenen Selbstbeurteilungsverfahren sich nicht von Personen der Allgemeinbevölkerung unterscheiden. Dennoch nehmen die „Pseudogesunden“ psychotherapeutische Behandlungen in Anspruch. Die vorliegende Studie geht daher der Frage nach, ob, und ggf. wie, sich „pseudogesunde“ Patienten in ihrer Psychotherapiemotivation von jenen mit hoher Symptombelastung unterscheiden. Material und Methoden Es wurden 1883 voll- und teilstationäre behandelte Patienten einer universitären Klinik für psychosomatische Medizin untersucht. Neben der Selbstbeurteilung mithilfe des „Fragebogen zur Messung der Psychotherapiemotivation“ (FMP) erfolgte die Fremdeinschätzung durch die Bezugstherapeuten auf Grundlage der Achse I „Krankheitserleben und Behandlungsvoraussetzungen“ der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (OPD-2). Ergebnisse Der Anteil der „Pseudogesunden“ betrug knapp 26 %. In dieser Gruppe waren somatoforme Störungen überzufällig häufig vertreten. „Pseudogesunde“ zeichneten sich im Vergleich zu den „belasteten“ Patienten sowohl in der Selbst- als auch in der Fremdbeurteilung durch einen geringeren Leidensdruck, eine an somatischen Ursachen orientierte Laienätiologie und eine insgesamt geringere Psychotherapiemotivation aus. Diskussion Die erhobenen Befunde deuten darauf hin, dass psychotherapiemotivierende Interventionen vor oder zu Beginn der Behandlung bei „pseudogesunden“ Patienten in erster Linie auf die Förderung eines angemessenen Krankheitsverständnisses abzielen sollten, auch um Therapieabbrüche zu vermeiden.

Praxis ◽  
2006 ◽  
Vol 95 (9) ◽  
pp. 311-320
Author(s):  
von Känel

Patienten suchen ihren Hausarzt meistens wegen körperlichen Symptomen auf. Weder der Hausarzt noch sein Patient wissen unmittelbar, ob psychosoziale Faktoren bei der Manifestation der körperlichen Beschwerden von Bedeutung sind. Ist dies der Fall, werden dem Grundversorger erst ein patientenzentriertes Vorgehen und biopsychosoziale Grundkenntnisse erlauben, die richtige Diagnose zu stellen, eine angemessene Therapie einzuleiten und die oft langjährige Begleitung des Patienten erfolgreich zu gestalten. Dieser Artikel gibt einen Überblick zum Management psychosomatischer Krankheiten in der Grundversorgung (d.h. körperliche Krankheiten verstärkt durch psychosoziale Faktoren, medizinisch ungeklärte körperliche Symptome, funktionelle somatische Syndrome und körperliche Manifestation einer psychischen Störung). Dieses Vorgehen wird den Hausarzt darin unterstützen, dass die durchschnittlich 30-50% seiner Patienten mit psychosomatischen Beschwerden zwar eine Herausforderung bleiben, jedoch nicht zur Überforderung werden.


2013 ◽  
Vol 61 (4) ◽  
pp. 255-262 ◽  
Author(s):  
Martin Kumnig ◽  
Gerhard Schüßler ◽  
Franz Petermann

Bei Patienten mit chronischen Erkrankungen handelt es sich um ein Patientenkollektiv mit unterschiedlichsten Problembereichen. Es finden sich sowohl Patienten mit körperlichen als auch psychischen chronischen Erkrankungen. Hinter einer chronischen Erkrankung verbirgt sich zumeist eine sehr komplexe biopsychosoziale Problematik. Ängste, Depressionen und somatoforme Störungen sind die häufigsten psychischen Begleiterscheinungen chronisch-körperlicher Krankheitsverläufe. Die Komorbidität zwischen körperlichen und psychosozialen Erkrankungen ist allgemein anerkannt. Folglich wurden spezifische Implikationen für die Therapie und Prognose chronischer Erkrankungen entwickelt. Insbesondere in der engen Verzahnung der biopsychosozialen Behandlungsansätze liegt das größtmögliche Potenzial für eine verbesserte Behandlungseffizienz. Zusehends wird in diesem Kontext ein evidenzbasierter interdisziplinärer Ansatz angestrebt und Leitlinien für die unterschiedlichsten prozessdiagnostischen Fragestellungen erarbeitet.


2006 ◽  
Vol 54 (1) ◽  
pp. 53-64 ◽  
Author(s):  
Holger Schulz ◽  
Cathrin Büscher ◽  
Uwe Koch ◽  
Birgit Watzke

Zusammenfassung: Bei der Behandlung von Patienten mit psychischen Störungen ist die Berücksichtigung rehabilitativer Elemente von großer Relevanz, da ein hoher Anteil chronischer Verlaufsformen besteht, mit erheblichen Einschränkungen der Aktivitäten und Partizipation. In diesem Beitrag wird die Frage untersucht, inwieweit rehabilitative Elemente in nationalen wie internationalen Leitlinien zur Behandlung psychischer Störungen berücksichtigt sind. Dieses erfolgt für die fünf sehr häufig vorkommenden Diagnosegruppen Depression, Panikstörung, Somatoforme Störungen, Posttraumatische Belastungsstörung sowie Borderline-Persönlichkeitsstörung und wird auf der Grundlage einer systematischen Leitlinienrecherche und der Entwicklung von Beurteilungskriterien für generische und rehabilitationsspezifische Aspekte vorgenommen. Die Analysen zeigen, dass in den vorliegenden Leitlinien Elemente mit besonders hoher Spezifität für die Rehabilitation bisher nur sehr wenig berücksichtigt sind. Daraus wird ein Entwicklungsbedarf deutlich, der neben einer weiteren Konkretisierung rehabilitativer Elemente die systematische Aufbereitung der Evidenz für die Wirksamkeit dieser Elemente fokussieren sollte.


2015 ◽  
Vol 63 (4) ◽  
pp. 255-265 ◽  
Author(s):  
Stefanie M. Görgen ◽  
Noelle Loch ◽  
Wolfgang Hiller ◽  
Michael Witthöft

Zusammenfassung. Ein besseres Verständnis der Rolle von Prozessen und Stilen der Emotionsregulation (ER) im Kontext psychischer Störungen erscheint essentiell, um psychische Störungsmodelle und Behandlungskonzepte zu optimieren. Diese Studie überprüfte den Cognitive Emotion Regulation Questionnaire (CERQ) in einer klinischen Stichprobe von ambulanten Psychotherapiepatienten (N = 156) hinsichtlich seiner teststatistischen Güte sowie im Hinblick auf Zusammenhänge mit Psychopathologie. Der CERQ wies eine gute Reliabilität (.70 ≤ α ≤ .84) sowie faktorielle Validität auf. Im Vergleich zu einer Bevölkerungsstichprobe berichtete die klinische Stichprobe höhere Ausprägungen in dysfunktionalen und niedrigere Ausprägungen in funktionalen ER-Strategien. Mittels eines Strukturgleichungsmodells zeigte sich, dass unter Berücksichtigung der Skaleninterkorrelationen drei kognitive ER-Strategien einen signifikanten und inkrementellen Beitrag zur Vorhersage der Gruppenzugehörigkeit zur klinischen Gruppe leisten (Rumination, Planung, Andere beschuldigen). Die klinischen Subgruppen (depressive, Angst- und somatoforme Störungen) unterschieden sich nicht signifikant hinsichtlich des Einsatzes einzelner ER-Strategien. Der Einsatz des CERQ kann auch in klinischen Stichproben empfohlen werden, um transdiagnostisch relevante Prozesse einer veränderten Emotionsregulation zu untersuchen.


Diagnostica ◽  
2012 ◽  
Vol 58 (4) ◽  
pp. 194-210 ◽  
Author(s):  
Yesim Erim ◽  
Mingo Beckmann ◽  
Sefik Tagay ◽  
Sanem Aygün ◽  
Peykan Gökalp Gencoglu ◽  
...  

Bei türkischstämmigen Migranten ist die Inanspruchnahme psychotherapeutischer Behandlung häufig mit somatoformen Beschwerden verknüpft. Zur besseren Objektivierung dieser Beschwerden wurde das Screening für Somatoforme Störungen (SOMS), das körperliche Beschwerden nicht organischer Genese erfasst, in die türkische Sprache übersetzt und anhand einer Stichprobe von 114 türkischsprachigen Patienten einer muttersprachlichen psychosomatischen Ambulanz sowie einer Gruppe von 105 psychisch unauffälligen türkischen Migranten validiert. Die türkische Version des SOMS wies eine hohe interne Konsistenz (von α = 0.78 bis α = 0.93), eine hohe konkurrente und divergente Validität (von r = .37 bis r = –.48) anhand von Depressivitätsscores nach dem Beck-Depressions-Inventar und dem Gesamtscore des Kohärenzgefühls nach der Sense of Coherence Scale sowie eine hohe diskriminante Validität auf. Mit der türkischen Version des SOMS wird ein verständliches, reliables und valides Instrument zur Erfassung somatoformer Symptome bei türkischen Migranten vorgelegt.


2000 ◽  
Vol 29 (2) ◽  
pp. 97-108 ◽  
Author(s):  
Cecilia A. Essau ◽  
Judith Conradt ◽  
Franz Petermann

Zusammenfassung. Anhand von Daten der Bremer Jugendstudie werden in diesem Artikel Ergebnisse hinsichtlich der Häufigkeit und Komorbidität sowie psychosozialer Beeinträchtigung durch Somatoforme Störungen bei Jugendlichen dargestellt. 136 Jugendliche (13,1 %) erfüllten die Kriterien für eine Somatoforme Störung, wobei signifikant mehr Mädchen als Jungen von diesen Störungen betroffen waren. Von den Subtypen Somatoformer Störungen trat als häufigste die Undifferenzierte Somatoforme Störung auf, gefolgt von der Schmerzstörung und der Konversionsstörung. Auf der Symptomebene wurden Kopfschmerzen, das Gefühl eines Kloßes im Hals und Schmerzen im Bauchbereich am häufigsten mitgeteilt. Fast die Hälfte der Jugendlichen mit Somatoformen Störungen erfüllte die Kriterien für mindestens eine weitere Störung. Obwohl ein Drittel dieser Jugendlichen psychosozial beeinträchtigt war, wurde nur ein kleiner Teil von ihnen behandelt.


Diagnostica ◽  
2003 ◽  
Vol 49 (1) ◽  
pp. 34-42 ◽  
Author(s):  
Andreas Hinz ◽  
Winfried Rief ◽  
Elmar Brähler

Zusammenfassung. Der Whiteley-Index ist ein Instrument zur Erfassung von Hypochondrie. Für diesen Fragebogen wurde eine Normierungs- und Validierungsstudie anhand einer bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe (n = 1996) durchgeführt. Hypochondrie zeigt eine etwa lineare Altersabhängigkeit (r = .24). Frauen haben in allen Altersstufen höhere Hypochondrie-Ausprägungen als Männer. Für verschiedene Alters- und Geschlechtsgruppen werden Normwerte bereit gestellt. Die in der Literatur beschriebene dreidimensionale Struktur des Whiteley-Index (Krankheitsängste, somatische Beschwerden und Krankheitsüberzeugung) konnte mit gewissen Einschränkungen bestätigt werden. Validierungsuntersuchungen mit anderen Instrumenten (Hospital Anxiety and Depression Scale, Multidimensional Fatigue Inventory, Gießener Beschwerdebogen, Screening für Somatoforme Störungen und Nottingham Health Profile) zeigten, dass eine auf sieben Items reduzierte Kurzskala der Gesamtskala mit 14 Items ebenbürtig ist. Für differenzierte Analysen wird jedoch die Originalskala empfohlen. Durch die angegebenen Normwerte ist es künftig besser möglich, Patientengruppen verschiedener Alters- und Geschlechtsverteilungen untereinander oder auch mit Stichproben der Normalbevölkerung zu vergleichen.


2020 ◽  
Vol 82 (12) ◽  
pp. 992-997
Author(s):  
Oliver Rudolf Herber ◽  
Stefan Wilm ◽  
Annett Fiege ◽  
Nicole Ernstmann ◽  
Holger Pfaff ◽  
...  

ZusammenfassungDie vierte Nachwuchsakademie „Versorgungsforschung“ wurde 2017 erneut von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell gefördert. Initiator war das Centre for Health and Society (chs) der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf unter Beteiligung des Zentrums für Versorgungsforschung Köln (ZVFK), der Forschungsstelle für Gesundheitskommunikation und Versorgungsforschung (CHSR) der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn, des Interdisziplinären Zentrums für Versorgungsforschung im Gesundheitswesen (IZVF) in Witten und des Instituts für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie (IVE) der Universität Marburg. Ziele der Nachwuchsakademie umfassen die Vermittlung von Kompetenzen im Entwickeln und Ausarbeiten von innovativen Projektideen, die Erhöhung der Anzahl der Anträge aus dem Bereich der Versorgungsforschung an die DFG, die Stärkung der Grundlagenforschung innerhalb der Versorgungsforschung in Deutschland und die Vernetzung der wissenschaftlichen Community. Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus dem gesamten Bundesgebiet konnten sich mit einem Antragsexposé um die Teilnahme an der Nachwuchsakademie bewerben. Aus den insgesamt 83 eingegangenen Bewerbungsanträgen wurden in einem 2-stufigen Begutachtungsprozess die 21 aussichtsreichsten BewerberInnen (14 Frauen und 7 Männer) ausgewählt, von denen 20 die Nachwuchsakademie durchliefen. Nach einem eintägigen Vorbereitungs-Workshop, der Erstellung und Begutachtung eines Probeantrags, einer Akademie-Woche sowie einer Finalisierungsphase wurden alle Anträge fristgerecht bei der DFG eingereicht. Von diesen Anträgen werden 9 von der DFG gefördert. Im Juli 2019 fand das erste Alumnitreffen in Düsseldorf statt.


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