Diabetische Nephropathie

2020 ◽  
Vol 24 (05/06) ◽  
pp. 212-221
Author(s):  
Martin Busch ◽  
Gunter Wolf

ZUSAMMENFASSUNGIn der deutschen Bevölkerung leiden 8–9 % an Diabetes mellitus. Vor allem die ältere Bevölkerung ist betroffen, häufiger in den neuen Bundesländern. Die Gesamtprävalenz einer Nierenerkrankung bei Diabetikern wird in Deutschland mit 15 % angegeben. Bis zu 40 % der Patienten mit Diabetes mellitus entwickeln im Verlauf eine Nephropathie. Diabetesdauer, höheres Alter, Blutzucker- und Blutdruckeinstellung sind Einflussfaktoren, auch bislang nicht vollständig charakterisierte (poly)genetische Faktoren. Die Verdachtsdiagnose einer diabetischen Nephropathie erfolgt beim Nachweis einer Mikroalbuminurie und/oder anderweitig nicht erklärbarer Einschränkung der geschätzten („estimated“) glomerulären Filtrationsrate (eGFR). Beweisend ist nur eine Nierenbiopsie, die jedoch selten indiziert ist. Andere oder Koentitäten sind dennoch häufig. Zur Prävention und Progressionshemmung einer Nephropathie sollte ein individualisierter HbA1c-Korridor von 6,5–7,5 % angestrebt werden. Basierend auf einer Metformintherapie sind bei Typ-2-Diabetes dann SGLT-2-Hemmer und GLP-1-Agonisten bevorzugt einzusetzen, da sie eigenständige nephro- und kardioprotektive Effekte aufweisen. Typ-1-Diabetiker sind intensiviert mit Insulin zu behandeln. Eine adäquate Blutdruckkontrolle sollte mittels Blockade des Renin-Angiotensin-Systems erfolgen. Gewichtsreduktion, körperliche Aktivität, Beendigung des Rauchens sowie Behandlung einer Dyslipidämie sind weitere Maßnahmen.

2000 ◽  
Vol 57 (1) ◽  
pp. 12-21
Author(s):  
Lehmann ◽  
Spinas

Diabetes mellitus umfaßt eine Gruppe von metabolischen Störungen, welche durch eine Hyperglykämie charakterisiert ist. Die amerikanische Diabetesgesellschaft (ADA) hat 1997 neue diagnostische Kriterien und eine neues Klassifikationsschema für den Diabetes ausgearbeitet. Diese Diagnosekriterien wurden von der WHO weitgehend übernommen. Die ADA empfiehlt, die Diabetesdiagnose mittels der Nüchtern Plasmaglukose (NPG) zu stellen und rät eigentlich vom klinischen Gebrauch des 75 g oralen Glukosetoleranztestes (OGTT) ab, während die WHO empfiehlt, die NPG nur zu verwenden, falls ein OGTT nicht durchzuführen ist. Die neue Klassifikation teilt den Diabetes mellitus aufgrund der Ätiologie ein. Verschiedene pathogenetische Prozesse sind bei der Entwicklung des Diabetes involviert. Sie reichen von einer autoimmunen Zerstörung der Betazellen mit konsekutivem absolutem Insulinmangel bis zu Störungen, welche durch eine Insulinresistenz in Kombination mit einem Insulinsekretionsdefekt definiert sind. Die neue Klassifikation umfaßt vier Diabetes Hauptgruppen: Typ-1, Typ-2 Diabetes mellitus, spezifische Diabetestypen und Schwangerschaftsdiabetes. Für das Screening und für die Diagnose können die NPG oder der Zweistunden-Wert nach OGTT verwendet werden. Trotz zum Teil widersprüchlicher Aussagen ist das HbA1c sowohl für das Screening als auch für die Diagnose eines Diabetes nicht geeignet. Die eindeutige Evidenz, daß eine chronische Hyperglykämie für diabetesbedingte Folgeerkrankungen verantwortlich ist, wurde erst in den letzten Jahren mit zwei großangelegten Studien geliefert: Der Diabetes Control and Complications Trial (DCCT; 1993) und die United Kingdom Prospective Study (UKPDS; 1998) lieferten für Typ-1 und Typ-2 Diabetes den eindeutigen Beweis, daß eine möglichst normoglykämische Diabeteseinstellung das Auftreten diabetesbedingter Komplikationen verhindert, beziehungsweise das Fortschreiten verlangsamt. Die diabetischen Folgeerkrankungen müssen gesucht und bei jedem Patienten mit Diabetes in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden. Aufgrund der Ergebnisse der UKPDS und anderer Studien können evidenzbasierte Therapieziele für die Betreuung von Patienten mit Typ-2 Diabetes formuliert werden. Eine multifaktorielle Intervention mit vermehrter körperliche Aktivität, Nikotinstop, Aspirineinnahme, Senkung von HbA1c, Blutdruck und Lipiden bei Typ-2 Diabetes senkt das Risiko, eine diabetische Nephropathie zu entwickeln oder kardiovaskuläre Komplikationen zu erleiden, drastisch. Folgendes Vorgehen für die Behandlung von Typ-2 Diabetikern empfiehlt sich in der Praxis: 1) Die Therapie sollte auf jeden Patienten individuell zugeschnitten werden. 2) Die Therapieeinleitung sollte schrittweise erfolgen, um den Therapieerfolg einer Intervention zu dokumentieren und die Compliance zu verbessern. 3) Da es keine HbA1c- und Blutdruck- Schwellenwerte gibt, lohnt es sich vor allem bei jungen Typ-2 Diabetikern (bis 70 Jahre), den Blutzucker beziehungsweise den Blutdruck möglichst in den Normbereich zu senken. 4) Das Erreichen des Therapieziels sollte alle 3–6 Monate überprüft werden. 5) Falls die Therapieziele nicht erreicht werden, sollte die Therapie intensiviert werden, wozu meist eine Kombinationstherapie mit verschiedenen Medikamenten notwendig sein wird. 6) Falls die Therapieziele über zwei Quartale nicht erreicht werden können, sollte ein Konsilium beim Facharzt angefordert werden.


2014 ◽  
Vol 08 (02) ◽  
pp. 83-88
Author(s):  
M. Büttner ◽  
K. Benz ◽  
K. Amann

ZusammenfassungEpidemiologische Studien zeigen, dass Adipositas, unabhängig von dem Vorliegen eines Diabetes mellitus, einer arteriellen Hypertonie oder anderer Komorbiditäten, ein Risikofaktor für chronische Nierenerkrankungen ist. Weitere Befunde gibt es hinsichtlich einer Verbindung von chronischen Nierenerkrankungen bei Adipositas und Veränderungen der Adipokinsekretion (Hyperleptinämie, Adiponektinmangel), einer Aktivierung des Renin- Angiotensin-Systems, einer chronischen Inflammation, einer endothelialen Dysfunktion, einer Lipidakkumulation, einer beeinträchtigten renalen Hämodynamik und einer im Verhältnis zum Körpergewicht verminderten Nephronanzahl. Ganz allgemein aggraviert das Vorliegen einer Adipositas den Verlauf zahlreicher primärer Nierenerkrankungen, z.B. Glomerulonephritiden, aber sie beeinflusst auch die Nierenfunktion nach Nierentransplantation. Mikroalbuminurie, Proteinurie, Hyperfiltration und eingeschränkte Nierenfunktion sind mit Adipositas assoziiert. Histologisch findet sich eine spezielle Form einer sekundären fokal- segmentalen Glomerulosklerose, die bevorzugt bei Adipositas vorkommt. Klinisch relevant sind Beobachtungen, dass drastischer Gewichtsverlust entweder durch Modifikation des Lebensstils oder durch bariatrische Chirurgie die Nierenfunktionsstörungen, vor allem die Albuminurie und Hyperfiltration, bei ehemals adipösen Patienten verbessern kann, so dass davon auszugehen ist, dass Nierenerkrankungen bei Adipositas stringenten Präventionsprogrammen zugänglich sind. Die diabetische Nephropathie (DN) ist die führende Ursache für ein chronisches Nierenversagen bei Erwachsenen in der westlichen Welt. Typische morphologische Veränderungen umfassen eine Verbreiterung der glomerulären Basalmembranen, eine Expansion des Mesangiums mit diffuser oder nodulärer Glomerulosklerose (Kimmelstiel-Wilson-Knoten) und eine arterioläre Hyalinose. Normalerweise entsteht die DN nach einem ca. 10–15 jährigen Krankheitsverlauf und weist dann einen progressiven Verlauf auf bis hin zum terminalen Nierenversagen. Es gibt jedoch inzwischen Hinweise, dass glomeruläre und tubulointerstitielle Läsionen bei DN bis zu einem gewissen Maß nach Korrektur der Blutzuckerwerte reversibel sind. Die vorliegende Übersicht beschäftigt sich vor allem mit der Pathogenese und Morphologie der Nierenfunktions- und Strukturveränderungen bei Adipositas und assoziierter Nierenerkrankungen wie der diabetischen Nephropathie.


2019 ◽  
Vol 131 (S1) ◽  
pp. 61-66 ◽  
Author(s):  
Claudia Francesconi ◽  
Josef Niebauer ◽  
Paul Haber ◽  
Raimund Weitgasser ◽  
Christian Lackinger

2021 ◽  
Vol 19 (03) ◽  
pp. 7-14
Author(s):  
Uwe Gröber

ZusammenfassungDiabetes mellitus und Prädiabetes haben in Deutschland eine sehr hohe Prävalenz. Obwohl körperliche Aktivität und nutritive Intervention sich als wirksam erwiesen haben, bleibt das blutzuckersenkende Metformin das Mittel der ersten Wahl. Das Medikament interferiert mit Mikronährstoffen wie B-Vitaminen, Vitamin D und Magnesium und kann den bei Typ-2-Diabetiker*innen oft bestehenden Nährstoffmangel noch verstärken. Daraus resultieren u. a. negative Folgen für Energiestoffwechsel, Immunsystem, Inflammation und Insulinresistenz sowie ein Anstieg des gefäßschädigenden Homocysteins. Halbjährliche Kontrollen der Homocystein-, Methylmalonsäure- und Vitamin-D-Spiegel sind bei Typ-2-Diabetes ratsam. Inbs. bei Metformintherapie bzw. Polymedikation sollten die Mikronährstoffmängel durch tägliche Supplementierung ausgeglichen werden.


2017 ◽  
Vol 74 (8) ◽  
pp. 417-422
Author(s):  
Patrick Kempf ◽  
Markus Laimer ◽  
Christoph Stettler

Zusammenfassung. Körperliche Aktivität und Training sind wichtige Bausteine eines gesunden Lebensstils, auch oder vor allem bei Personen mit Diabetes mellitus. Eine Reduktion des kardiovaskulären Risikos sowie eine Verbesserung zahlreicher weiterer Parameter durch Bewegung konnte sowohl bei Personen ohne Diabetes als auch bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes in Studien gezeigt werden. Beim Typ-2-Diabetes wird daher – zum Teil auch noch bei Vorhandensein von Spätkomplikationen – ein mehrmals wöchentlich durchgeführtes Ausdauer- als auch Krafttraining zur Verbesserung der glykämischen Kontrolle und Reduktion des kardiovaskulären Risikos empfohlen. Bereits kurze Trainingseinheiten haben einen nachhaltig positiven Effekt auf den Organismus, die Überwindung der Inaktivität und Ausübung von Sport ist aber im Alltag häufig mit gewissen Schwierigkeiten verbunden. Unterschiedliche Trainingstypen haben differierende Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel, dies ist vor allem bei Patientinnen und Patienten mit Insulintherapie zu beachten. Bei Patientinnen und Patienten mit Typ-1-Diabetes gelten per se dieselben Aktivitätsziele. Sport birgt bei diesen Patienten nebst den günstigen Effekten aber auch die Gefahr einer Destabilisierung der glykämischen Kontrolle, insbesondere ist das während des Sports erhöhte Hypoglykämierisiko relevant. Durch adäquate blutzuckeradaptierte Therapiemodifikationen und unter Einsatz moderner technologischer Hilfsmittel kann dem aber wirksam entgegengewirkt werden.


2016 ◽  
Vol 128 (S2) ◽  
pp. 141-145 ◽  
Author(s):  
Claudia Francesconi ◽  
Christian Lackinger ◽  
Raimund Weitgasser ◽  
Paul Haber ◽  
Josef Niebauer

2020 ◽  
Vol 77 (7) ◽  
pp. 333-338
Author(s):  
Hannes Alder ◽  
Patrice M. Ambühl

Zusammenfassung. Die diabetische Nephropathie ist eine häufige mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziierte Komplikation des Diabetes mellitus. Doch nicht jede Nierenerkrankung bei einem Diabetiker ist eine diabetische Nephropathie, weshalb stets Differenzialdiagnosen beachtet werden müssen. Ausserdem variieren die Klinik und die Prognose der diabetischen Nephropathie stark. Folglich sollten regelmässige Verlaufskontrollen erfolgen. Entscheidend im Management sind die Früherkennung, die Behandlung der kardiovaskulären Risikofaktoren und die Senkung der Albuminurie.


2019 ◽  
Vol 17 (02) ◽  
pp. 62-66
Author(s):  
Stefan Goelz ◽  
Tobias Wiesner

ZUSAMMENFASSUNGDiabetes mellitus ist eine Erkrankung mit einer zunehmenden Zahl von Betroffenen, in Deutschland und weltweit. Moderne Therapieoptionen mit zum Teil äußerst günstigen Auswirkungen auf den Eintritt kardiovaskulärer Ereignisse einschließlich der kardiovaskulären Mortalität machen Hoffnung auf eine weitere positive Beeinflussung durch konsequenteren Einsatz dieser Präparate. Insulin hat neben einer sehr geringen Rate an Kontraindikationen den Vorteil der guten Steuerbarkeit, belastet aber durch ein prinzipielles Risiko für Hypoglykämien. Im Folgenden wird der mögliche Einsatz anhand aktueller Daten dargelegt und interpretiert.


2019 ◽  
Vol 13 (03) ◽  
pp. 145-148
Author(s):  
Torsten Schröder ◽  
Christian Sina

ZusammenfassungÜbergewicht und Adipositas zeigen eine deutlich steigende Prävalenz auf und begünstigen Folgekomplikationen wie Typ 2 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Endpunkte. Die bisherige Ernährungstherapie konnte dieser Entwicklung nicht ausreichend effektiv entgegentreten. Personalisierungsstrategien unter Zuhilfenahme von modernen Analyseverfahren objektivierbarer Messgrößen stellen eine innovative und effektive Strategie dar, um Übergewicht und Adipositas sowohl zu verhindern als auch zu therapieren. Die hohe Individualität des Darm-Mikrobioms und der postprandialen Blutzuckerregulation steht im Zentrum dieser Ansätze.


2020 ◽  
Vol 18 (02) ◽  
pp. 69-76
Author(s):  
Stephan Kress ◽  
Anja Borck ◽  
Ariel Zisman ◽  
Peter Bramlage ◽  
Thorsten Siegmund

ZUSAMMENFASSUNGDer BeAM-Wert ist ein kumulatives Maß der postprandialen Hyperglykämie. Er lässt sich aus der Blutglukosekonzentration vor dem Zubettgehen (Be) und der darauf folgenden Nüchternglukose am Morgen (AM) errechnen. In zwei retrospektiven Auswertungen von Daten aus Phase-III- und -IV-Studien wurde der Nutzen des BeAM-Wertes als Entscheidungshilfe für den Beginn der intensivierten Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM) Patienten unter basalinsulinunterstützter oraler Therapie (BOT) dargelegt. Bei Patienten, deren Therapie von einer oralen antidiabetischen Therapie (OAD) auf eine basalinsulinunterstützte orale Therapie umgestellt wird, steigen Ausmaß der postprandialen Hyperglykämie und der BeAM-Wert an bei gleichzeitig sinkendem HbA1c-Wert und Nüchternglukose. Nach Umstellung auf eine intensivierte Insulintherapie fällt der BeAM-Wert und das Ausmaß der postprandialen Hyperglykämie geht zurück. Insbesondere Patienten mit einem BeAM-Wert > 50 mg/dl profitieren von der Umstellung auf eine intensivierte Insulintherapie. Ein negativer BeAM-Wert spricht gegen den Einstieg in die prandiale Insulintherapie.


Sign in / Sign up

Export Citation Format

Share Document