Entre universalisme et particularisme: la résistance du code alimentaire dans L’ingratitude de Ying Chen et Mon cœur à l’étroit de Marie NDiaye
Ziel des vorliegenden Beitrags ist, die Funktionalisierung des alimentären Codes in Marie NDiayes Mon cœur à l’étroit und Ying Chens L’ingratitude in ihrer Vielschichtigkeit aufzuzeigen. Einer klassischen Definition des Realismus zufolge galt der alimentäre Code als einer jener Codes, die effektvoll im Sinne eines „effet de réel“ wirken, indem sie Alltagsleben und material culture evozieren (Auerbach 1982: 458). Gerade in transkulturellen Erzählungen der Gegenwart erweisen sich Speisen und Esssitten als effektvolle Identitäts-Marker, die das Partikulare einer spezifischen Kultur – in der Regel einer ‚fremden‘, ‚exotischen‘ Kultur vor dem Hintergrund eines Gastlandes des globalen Westens – zum Ausdruck bringen. Kulturelle Konflikte – zwischen einem ‚westlichen‘ und einem ‚östlichen‘ Lebensstil in L’ingratitude; zwischen weitaus weniger klar definierten, doch auf soziokulturelle und nationale Identitäten verweisenden Lebensstilen in Mon cœur à l’étroit – scheinen sich auch in den beiden vorliegenden Werken in Speisen und Mahlzeiten geradezu zu reifizieren. Bei näherer Betrachtung erweist sich die alimentäre Codierung jedoch als vielschichtig und widersprüchlich, greift sie doch einerseits auf partikulare Identitätsmarker, andererseits auf archetypische Symbolisierungen zurück. Im Fall von Ying Chens Roman scheint hier ein Konflikt zwischen einem Bestreben nach Vermittlung des ‚Anderen‘ und der stereotypisierenden Anpassung an okzidentale Erzählmuster auf. Im Fall Marie NDiayes verhindert die Überdeterminiertheit der Nahrungsmotive eine psychoanalytische oder postkoloniale Lesart nach herkömmlichen Deutungsmustern. Als fruchtbarer erweist sich eine intersektionale Lektüre. Dennoch widerstrebt NDiayes Erzähltechnik der Rückführung auf eine kohärente Lesart. Was von dieser enigmatischen Autorposture zu halten ist, ist in der NDiaye-Forschung höchst umstritten. Von radikalen Vertretern der Critical Race Studies wird der Autorin colour-blindness vorgeworfen. Ich möchte für eine differenzierte Lesart plädieren, die die Problematik des universalistischen Anspruchs anerkennt, zugleich aber auch den Viktimismus der minority studies und das Beharren auf Partikularität problematisiert.