Seit den 1950er Jahren hat sich Plastik als unverzichtbare Ressource im menschlichen Alltag etabliert. Als negative Folge dieses Booms wird seit einigen Jahrzehnten jedoch eine zunehmende Belastung aquatischer Ökosysteme mit Plastikmüll bzw. dessen Degradationsprodukten, sogenanntes „Mikroplastik“ (MP, < 5 mm) bzw. „Nanoplastik“ (NP, < 1 µm), beobachtet. Ziel dieser Arbeit war die Untersuchung des aktuellen Vorkommens von MP in limnischen Gewässern, die Analyse der Interaktion zwischen MP und limnischen Wirbellosenarten und der daraus resultierenden Toxizität sowie eine erste Risikoabschätzung. Das Vorkommen von Mikroplastik in limnischen Gewässern wurde exemplarisch anhand der Elbe als großes Fließgewässer in Deutschland untersucht. Durch die Auswertung von elf Probestellen entlang des Verlaufs der Mittel- und Unterelbe konnte gezeigt werden, dass die MP-Konzentrationen im Sediment (2,26x10^4 – 2,27x10^7 P m^-3) im Mittel fast 150.000-fach höher sind als in der Wasserphase (0,88–13,24 P m^-3). Sedimente sind somit eine Senke für MP. Die Zusammensetzung der Polymerarten sowie MP-Formen deuten zudem an, dass die Partikel sowohl aus diffusen wie auch aus Punktquellen (z.B. Industrieabwässer) stammen. Im globalen Vergleich können die MP-Konzentrationen in deutschen Fließgewässern z. Z. als durchschnittlich betrachtet werden. Allerdings muss insgesamt davon ausgegangen werden, dass die bisher bestimmten MP-Umweltkonzentrationen die realen Konzentrationen möglicherweise unterschätzen. So zeigte die Elbestudie, dass die Sedimentfeinfraktion < 100 µm einen bedeutenden Polymeranteil enthielt. Die meisten bisher durchgeführten Studien zur Bestimmung von MP-Partikeln in Flüssen haben Partikel < 100 µm jedoch nicht in ihrer Analyse berücksichtigt. Die Interaktion von MP mit limnischer Biota wurde anhand der Artgruppen der Muscheln (Bivalvia), Schnecken (Gastropoda) sowie Krebstiere (Crustacea) näher untersucht. Die Intensität der Interaktion ist maßgeblich von der Aufnahme von MP durch die verschiedenen Arten abhängig. Anhand von zahlreichen Aufnahmestudien mit verschiedenen limnischen Arten, darunter den Muschelarten Dreissena polymorpha, Sinanodonta woodiana und Anodonta anatina, der Lungenschnecke Lymnaea stagnalis sowie der Amphipodenart Gammarus pulex, wurde nachgewiesen, dass die MP-Aufnahme von den Eigenschaften der exponierten Arten bzw. Individuen, den MP-Charakteristika sowie den Expositionsbedingungen abhängt. Die Experimente mit Muscheln verdeutlichten die rasche Aufnahme, aber auch Exkretion von MP-Partikeln innerhalb weniger Stunden. In allen drei Artgruppen war die Aufnahme konzentrationsabhängig mit zunehmender Aufnahme bei steigenden MP-Konzentrationen. Die Muschelexperimente zeigten jedoch auch, dass eine gleichzeitige Exposition mit anderen Partikeln (z.B. Nahrung) zu einer reduzierten Aufnahme führt. Auch die Größe der Testorganismen beeinflusste die Aufnahme: So nahmen im Fall der Muscheln und Krebse kleinere Individuen (bzw. im Fall der Muscheln auch Arten) relativ pro Körpermasse mehr MP-Partikel auf als größere Individuen bzw. Arten. Für alle untersuchten Arten wurde darüber hinaus gezeigt, dass die MP-Größe relevanten Einfluss auf die Menge an aufgenommenen Partikeln hat. Ein Vergleich zwischen den Artgruppen zeigte, dass Muscheln als filtrierende Organismen in den Laboruntersuchungen bei gleicher Expositionskonzentration mehr MP aufnahmen als Krebse (Zerkleinerer) und Schnecken (Weidegänger). Im Gegensatz zu Muscheln nutzen Krebstiere und Schnecken allerdings die Grenzschicht zwischen Wasser- und Sedimentphase als Suchraum für ihre Nahrung und sind in der Umwelt (auf Grund des höheren MP-Vorkommens in Sedimenten) somit möglicherweise gegenüber höheren MP-Konzentrationen exponiert als Muscheln. Die Extrapolation der gewonnenen Labordaten sowie der Vergleich mit publizierten Umweltdaten legen allerdings nahe, dass das MP-Vorkommen in Individuen aller drei Artgruppen bisher auf einige wenige MP-Partikel begrenzt ist. Ausgeprägte Unterschiede zwischen den Artgruppen sind bisher nicht erkennbar. MP-Toxizitätsstudien mit G. pulex, L. stagnalis sowie D. polymorpha konnten trotz der Berücksichtigung einer Vielzahl an Endpunkten (Mortalität, Reproduktion, Nahrungsaufnahme, oxidativer Stress, Energiereserven, Immunzellaktivität) und trotz des Einsatzes zum Teil sehr hoher MP-Konzentrationen weit oberhalb aktueller Umweltkonzentrationen nur sehr wenige MP-induzierte Effekte nachweisen, darunter eine Steigerung der Filtrationsaktivität (D. polymorpha) bzw. Veränderung der Immunfunktion von Hämolymphzellen (L. stagnalis). Zur weiteren Risikoabschätzung wurden diese Studienergebnisse mit publizierten Daten für marine und limnische Muschel- und Krebsarten in Artenempfindlichkeitsverteilungen (Species Sensitivity Distributions, SSD) zusammengeführt und jeweils eine SSD für Muscheln und Krebstiere erstellt. Die Erstellung einer SSD nur für limnische Arten ist zum jetzigen Zeitpunkt auf Grund der geringen Datenlage noch nicht möglich. ...