Ginkgo, Ginseng und Gerinnung

2021 ◽  
Vol 42 (06) ◽  
pp. 301-311
Author(s):  
Annalena Abendroth ◽  
Carsta Seifert ◽  
Derik Hermsen ◽  
Stefanie Ackerstaff ◽  
Till Hoffmann
Keyword(s):  

ZusammenfassungDie Anwendung von Phytotherapeutika aufgrund unterschiedlichster Indikationen ist auch bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen weit verbreitet. Dabei stellt der gleichzeitige Einsatz von Antikoagulanzien ein oft unterschätztes pharmakologisches Sicherheitsrisiko dar. Durch die Zunahme der präferenziellen Verordnung direkter oraler Antikoagulanzien (DOAK) zur Therapie und Prophylaxe thromboembolischer Ereignisse sowie die stetige Zulassungserweiterung der DOAK in der letzten Dekade, ist die Einschätzung möglicher Arzneimittelinteraktionen und gerinnungsmodifizierender Wirkungen bei gleichzeitiger Anwendung von Phytotherapeutika eine besondere Herausforderung. Dabei sind einerseits direkte gerinnungs- oder thrombozytenhemmende Effekte einiger Pflanzenwirkstoffe selbst zu bedenken, welche zu einem erhöhten Blutungsrisiko führen können. Andererseits kann es zu komplexen Wechselwirkungen im Sinne metabolischer Arzneimittelinteraktionen zwischen Phytotherapeutika und gerinnungshemmenden Pharmaka kommen. Zwar erscheint das Interaktionspotenzial der DOAK im Vergleich zu den Vitamin-K-Antagonisten (VKA) als insgesamt deutlich geringer, jedoch können pharmakokinetische Interaktionen über das Cytochrom-P450- und P-Glykoprotein-System sowohl zu Konzentrationserhöhungen mit nachfolgendem Blutungsrisiko als auch zu einer Wirkspiegelreduktion mit nachfolgend unzureichendem antikoagulatorischem Effekt der DOAK führen. Darüber hinaus sind für viele populäre Phytotherapeutika wie etwa Ginkgo, Ginseng, Knoblauch oder Ingwer nachweisbare inhibitorische Wirkungen auf die Thrombozytenfunktion bekannt. Diese können durch additive Arzneimittelwirkungen in der Kombination mit DOAK zu ernstzunehmenden Blutungsneigungen führen. Im klinischen Alltag ist die Einschätzung relevanter Blutungsrisiken durch phyto-pharmakotherapeutische Kombinationstherapien oft aufwändig und schwierig, da bisher vorwiegend Fallberichte und nur wenige studienbasierte Daten zu möglichen Interaktionen mit DOAK vorliegen. Eine Hilfestellung bieten hier verschiedene pharmakologische Datenbanken. Um mögliche Auswirkungen auf die Thrombozytenfunktion zu erfassen, stehen hämostaseologische Spezialuntersuchungen, wie z. B. die Lichttransmissionsaggregometrie (LTA) zur Verfügung. Dennoch bedarf es weiterer klinischer Studien und Fallsammlungen, um die Arzneimittelsicherheit in der Kombinationsbehandlung mit DOAK und Phytotherapeutika für Patient*innen und Ärzt*innen zu verbessern. Dieser Artikel soll einen Überblick über den aktuellen Kenntnisstand und relevante Wechselwirkungen populärer Phytotherapeutika geben.

2018 ◽  
Vol 75 (8) ◽  
pp. 496-501
Author(s):  
Sebastian Werth

Zusammenfassung. Durch die Implikation von neuen Diagnosealgorithmen in unserem klinischen Alltag, wurden die diagnostische Sicherheit insbesondere beim Ausschluss von venösen Thromboembolien (VTE) so vereinfacht, dass auch der Hausarzt bereits eine venöse Thromboembolie mit hinreichender Sicherheit ausschliessen kann. Die Einführung von Risikoscores kann helfen bei Patienten mit bestätigter Diagnose die Patienten herauszufiltern, die besonders gefährdet sind, um diese einer genaueren Überwachung zuzuführen. Dahingegen nimmt die Ambulantisierung von Patienten mit Lungenarterienembolie im Niedrig-Risiko-Bereich deutlich zu. Mit der Einführung der neuen oralen Antikoagulantien (NOAK) ist die Therapie dieser Patienten deutlich vereinfacht worden, zudem konnte das Risiko für schwere Blutungen im Vergleich zu den Vitamin-K-Antagonisten deutlich gesenkt werden. Für die Patienten mit paraneoplastischen VTEs stellen die NOAKs in Zukunft ebenfalls eine Option dar, welche in Studien noch genauer validiert werden muss. Aufgrund des niedrigen Blutungsrisikos von den NOAKs in der prophylaktischen Dosierung wird der Anteil der Patienten, die einer verlängerten Sekundärprophylaxe zugeführt werden, zukünftig weiter steigen und somit das Risiko für VTE-Rezidive gesenkt werden.


2012 ◽  
Vol 69 (9) ◽  
pp. 517-522 ◽  
Author(s):  
J. Seiffge ◽  
Nedeltchev ◽  
A. Lyrer
Keyword(s):  

Nach 60 Jahren der Monopolstellung von Vitamin-K Antagonisten (VKA) zur Primär- und Sekundärprävention bei Patienten mit Vorhofflimmern (VHF) haben nun neue Substanzen, Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban, den Beweis der gleicher Wirksamkeit bei geringer Rate von Blutungskomplikationen erbracht. Auch wenn die neuen Substanzen klare Vorteile gegenüber VKA zeigen (fixe Dosierung, keine Gerinnungskontrollen, weniger Interaktionen mit Lebensmitteln und anderen Medikamenten) lässt sich aktuell bei keiner der Substanzen ein klarer Vorteil erkennen. Welche Patienten sind Kandidaten für die neuen oralen Antikoagulanzien (oAK)? Die präsentierten Studiendaten beziehen sich ausschließlich auf die Primär- und Sekundärprävention bei VHF. Ideale Kandidaten für die neuen Substanzen sind aus heutiger Sicht Patienten mit VHF, deren Einstellung auf einen therapeutischen INR sich mit VKA als schwierig erweist bzw. die regelmäßige Blutentnahmen nicht wünschen oder aber deren Durchführung schwierig ist (z. B. weite Entfernung zum nächsten Arzt). Dies kann auch auf Patienten nach Hirnschlag infolge Vorhofflimmerns angewendet werden. Welche Patienten erhalten (weiterhin) VKA? Es besteht keine Indikation, Patienten die jahrelang unter VKA-Therapie stabil gewesen sind und insbesondere stabile INR-Werte innerhalb des therapeutischen Bereichs aufweisen auf eine der neuen Substanzen umzustellen. Auch wird weiterhin eine Therapie mit VKA notwendig sein bei Patienten mit einer schweren Niereninsuffizienz oder Patienten, die eine Therapie mit einem Medikament benötigen, welches mit den neuen oAK interagiert (z. B. Ketoconazol) oder eine weitere Indikation für VKA (z. B. ein mechanischer Herzklappenersatz) besitzen.


2008 ◽  
Vol 28 (05) ◽  
pp. 400-420 ◽  
Author(s):  
S. Alban

ZusammenfassungJahrzehntelang beschränkten sich die Optionen für die Anti koagulation auf unfraktioniertes Heparin (UFH) und Vitamin-K-Antagonististen (VKA). Mit der Einführung der niedermolekularen Heparine (NMH) wurde die kurz- und mittelfristige Antikoagulation entscheidend verbessert; eine Alternative zu den VKA für die Langzeitanwendung steht noch aus. Da die Heparine belegen, dass Faktor Xa und Thrombin geeignete Angriffspunkte für die Antikoagulation darstellen, konzentriert sich die industrielle Antikoagulanzien- Forschung auf die Entwicklung direkter Thrombin- (DTI) und Faktor-Xa-Inhibitoren (DXI). Die verfügbaren bzw. in der Entwicklung am weitesten fortgeschrittenen Antikoagulanzien lassen sich in zwei Klassen einteilen: 1.) Glyko-Antikoagulanzien mit den natürlichen sulfatierten Glykosaminoglykanen (GAG) (UFH, NMH, Danaparoid) und den synthetisch hergestellten Oligosacchariden (Fondaparinux, Idraparinux und SR123781A), 2.) Xenobiotika, d. h. Proteine und chemisch-synthetische Moleküle. Die Glyko-Antikoagulanzien wirken partiell (GAG) oder ausschließlich (Oligosaccharide) durch die Katalyse von Antithrombin (AT), während die Xenobiotika direkt Thrombin oder Faktor Xa hemmen. Zurzeit stehen mit Lepirudin, Bivalirudin, Argatroban drei parenterale DTI sowie mit Dabigatranetelxilat ein oraler DTI für begrenzte Anwendungsgebiete zur Verfügung. Mit Rivaroxaban wurde kürzlich der erste orale DXI zugelassen. In dieser Übersicht werden die Entwicklung der Antikoagulanzien und das pharmakologische Profil der in der Praxis eingesetzten Antikoagulanzien beschrieben.


2006 ◽  
Vol 26 (01) ◽  
pp. 52-54 ◽  
Author(s):  
P. A. Kyrle

SummaryVenous thrombosis is a chronic disease with a recurrence rate of approximately 30% within 5-8 years. The optimal duration of secondary thromboprophylaxis in these patients entails balancing the risk of recurrence against the risk of treatment-associated bleeding. There is agreement that patients with a first idiopathic venous thrombosis should receive vitamin K antagonists for at least 3-6 months. Convincing trials showing a clinical benefit in terms of morbidity or mortality with respect to expansion of anticoagulation beyond 6 months are lacking. Nevertheless, some subgroups of patients with venous thrombosis may benefit from indefinite anticoagulation. Thus, patients with antithrombin deficiency, combined or homozygous defects, more than one unprovoked episode of thrombosis, the lupus anticoagulant or high factor VIII plasma levels are good candidates for long-term prevention.


2008 ◽  
Vol 28 (S 01) ◽  
pp. S106-S106
Author(s):  
P. Westhofen ◽  
M. Watzka ◽  
M. Hass ◽  
C. Müller-Reible ◽  
D. Lütjohann ◽  
...  

2007 ◽  
Vol 7 (06) ◽  
pp. 345-350 ◽  
Author(s):  
Martin Grimm ◽  
Corinna Gebauer ◽  
Thomas Kapellen ◽  
Oana Brosteanu ◽  
Wieland Kiess

ZusammenfassungHintergrund: Viele pädiatrisch eingesetzte Arzneimittel sind für Kinder nicht zugelassen. Der Mangel an Informationen zu Anwendung und Nebenwirkungen ist in der Frühgeborenen- und Intensivmedizin besonders hoch.Ziel: Das Ziel bestand in der Untersuchung des Zulassungsstatus der Medikamentenverordnungen an einer universitären Kinderklinik zur Priorisierung und Planung von Arzneimittelstudien.Material und Methoden: Auf einer interdisziplinären, einer neonatologischen Intensivstation und einer allgemeinpädiatrischen Station wurden über einen Zeitraum von 3 Monaten alle Arzneimittelverordnungen erfasst. Zur Analyse des Zulassungsstatus dienten die „Rote Liste®” und die Fachinformationen.Ergebnisse: 377 Patienten erhielten 2486 Verordnungen. Die häufigsten Arzneimittel waren Paracetamol, Vitamin K und Acetylcystein (ACC). Unlizensiert waren 5,5% aller Verordnungen; 39,5% wurden außerhalb der Altersgrenzen, 16,7% mit nicht zugelassener Indikation angewendet.Schlussfolgerung: Die unlizensierte und Off-Label-Arzneimittelanwendung ist noch weit verbreitet. Durch systematische Analysen können in Zusammenarbeit mit EMEA (European Medicines Agency) und PAED-Net Prioritätenlisten für Studien erstellt werden, die die Arzneimittelsicherheit erhöhen.


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